Zeugnisse der Wegwerf-Gesellschaft

Angler, Segler und Naturfreunde putzen die Böblinger Seen

50 Freiwillige des Kreisfischereivereins, der Naturfreunde und des Segel- und Motorjachtvereins waren am Samstag zur Seeputzete auf dem Grund der Böblinger Seen unterwegs. Die Fundstücke sind in gelbe Container gewandert, drei davon wurden voll – mit rund 20 Kubikmeter Schrott, Hausmüll und Glasflaschen.

Bericht in der Kreiszeitung Böblinger Bote von Anna Hunger

Manchmal kann es vorkommen, dass ein Schiff des Segelvereíns auf dem Oberen See plötzlich langsamer fährt als gewöhnlich, weil es an etwas hängen bleibt. Und manchmal kann es passieren, dass einer der Angler am Böblinger See plötzlich etwas ziemlich Schweres am Haken hat. Gibt es da Seeungeheuer?
Wohl kaum, eher Fahrräder zum Beispiel. Und weil im Wasser der beiden Seen nicht nur Fahrräder herumschwimmen, sondern auch alles mögliche andere, wird der See alle zwei bis drei Jahre gereinigt. Damit die Hechte, Zander und Karpfen nicht in Plastiktüten verenden und die Enten nicht aus Versehen in eine Cola-Dose treten.
Vor zwei Wochen wurde das Wasser aus den Seen abgelassen - der Delfin-Springbrunnen steht auf einem traurigen, grünlichen Sockel und die seeverwöhnten Böblinger Enten müssen sich mit einem Rest Tümpelwasser begnügen. Seit acht Uhr morgens sind Gerhard Hofmann und Reinhard Steiner von den Böblinger Fischern durch den Schlamm gewatet. Jetzt ist es kurz nach elf und beide genehmigen sich nach vier Stunden ökologischem Putzdienst einen verspäteten Frühstückskaffee vor dem Bootshaus - aus weißen Porzellantassen mit Spitzenmuster, die so gar nicht zu den braunen Rändern unter den Fingernägeln und den Schlamm verschmierten Gummistiefeln der beiden Männer passen möchten.
Wenn Gerhard Hofmann an all das Zeug denkt, das er an diesem Tag aus dem See gefischt hat, wird er richtig grantig. „Das regt mich auf“, sagt er, als er nach dem Kaffee zu einem der Müllbehälter stapft. Hofmann zieht einen Servierwagen aus dem Container. Am Gestänge und auf den Platten, auf denen einst vermutlich Kuchen oder dampfende Kürbissuppe standen, wachsen seit zwei Jahren schichtweise Teichmuscheln. Sie kleben auch an dem Fahrrad, am Umleitungsschild, der Hundetoilette, dem Penny-Markt-Einkaufswagen, den irgendwer aus Faulheit nicht zum Geschäft zurückgebracht hat, und den fünf Kubikmetern Flaschen, d ie sich in einem anderen Container türmen. Das gesamte Sammelsurium ist schlammgrau, ziemlich eklig und müffelt nach Fisch und See.
Die Herkunft all dieser Dinge können Hofmann und Steiner teils erahnen, teils wissen sie aus Beobachtungen, wer da was reingeworfen hat. Die 13 städtischen Poller, die normalerweise Autos an der Durchfahrt hindern, anstatt Muscheln ein neues Zuhause zu bieten, haben vermutlich Händler des Wochenmarkts herausgenommen und nicht mehr wieder hineingesteckt. „Abends, hat sie irgendwer in den See gepfeffert“, sagt Steiner. Die Flasche stammen sowohl von den Jugendlichen, die sich auf den Seetreppen treffen und den Besuchern des Seestudios, vermuten die beiden Sammler. Die Reste von Feuerwerkskörpern seien städtisch, sagt Steiner. Chemie geladene Andenken an den „Sommer am See“.
Wer die Geldbeutel - ohne Scheine, aber noch mit Münzen gefüllt, damit sie besser untergehen -, die zahlreichen Ausweise, den Sonnenschirm oder den Laptop in den See geschmissen hat, können beide allerdings nicht mehr nachvollziehen. In einem sind sie sich aber einig: Es sei zwar weniger Sperrmüll als bei der letzten Seeputzete, aber trotzdem noch eine arge Sauerei. Und da haben sie wohl recht.
Für die Stadtverwaltung ist der Einsatz im Ekelschlamm eine sehr günstige Lösung: Während der Bauhof für jede Stunde Seereinigung einen saftigen Stundensatz berechnen würde, sammeln- die Vereine umsonst. Die Angler beispielweise müssen 20 Arbeitsstunden im Jahr leisten - um die Angelerlaubnis zu behalten. „Wir zahlen hier Pacht. Und dann machen wir noch den Dreck anderer Leute weg“, sagt Hofmann und zieht die Augen zu zornigen Schlitzen zusammen. „Aber wenn wir es nicht machen, wer macht es sonst?“
Seeputzete

Reinemachen am Obereb See: Reinhard Steiner (hintern) und Gerhard Hofmann haben einiges an Land gefischt