Artikel vom 10.03.2006, Kreiszeitung Böblinger Bote

von Siegfried Dannecker

Das kommt davon, wenn man sich ködern lässt

Kreisfischerei-Vereinschef Gerhard Hofmann bekommt morgen die Landesehrennadel verliehen

Petri Heil, Petri Dank: Wenn Gerhard Hofmann, Chef des Kreisfischerei-Vereins, morgen mit der Landesehrennadel
ausgezeichnet wird, geht ein kapitaler Hecht ins Netz. Der 63-jährige Böblinger steht wie kaum ein zweiter Petrijünger für eine Angelleidenschaft, die 150 Vereinsmitgliedern eine vielfältige Freizeit verschafft.
Das Schuppentier ist Hofmanns Lebenselixier. Vom Fischstäble bis zum Edelfisch hat der oberste Kreisfischer schon alles Schuppentier am Haken und unterm Essbesteck gehabt. Forelle, Hecht, Karpfen und Kabeljau, Aal, Stör, Dorsch, Barsch, Zander, Waller, Döbel, Brachse, Rotauge: Was zwischen Ganssee und Nordsee schwimmt, ist für Hofmann kein Anglerlatein. Die Kiemenatmer kennt so einer aus dem Effeff. Mit jedem einzelnen Böblinger Fisch sei er sogar per Du, sagt man.
Wie das alles anfing? Hofmann lacht und denkt 30 Jahre zurück, als die ältere seiner beiden Töchter, die Sabine, fünf Jahre jung war. Hofmanns urlaubten im Schwarzwald, und probierten sich erfolgreich am "Angeln für Jedermann". Während die Fischlein auf der Grillstelle brutzelten, wurden Pläne geschmiedet, das öfter zu machen. Der Rest ist bekannt, der Fisch geputzt, hat er das Duo doch direkt in den Böblinger Verein geführt. Und Papa Hofmann nach einigen Jugendwartjahren schließlich zum Vereinsvorsitzenden gemacht. Nächstes Jahr werden es 20 Jahre an der Angelspitze sein.
Jahre, die Hofmann nie bereut hat, auch wenn er mit dem Ehrenamt mittlerweile einen Halbtagsjob an der Backe hat. So muss Hofmann ja alle arbeitsorganisatorischen Dinge im Griff haben - mit dem Rathaus-Bediensteten verhandeln oder die regelmäßigen Reinigungsdienste an den Gewässern betreuen. Der Rentner aus dem Maurener Weg ist auch während der dreimonatigen Vorbereitungen zur Fischerprüfung voll aktiv. Da ist er einer von sechs Lehrern zwischen Gesetzes-, Geräte- und Gewässerkunde und zeigt dem Nachwuchs, wie man den Fisch nach dem Fang filetiert. "Ich demonstriere, wie man Fische fachgerecht ausnimmt und verwertet", schmunzelt der Daimler-Pensionär. Diesbezüglich macht Hofmann keiner was vor. Eher nach. Wobei der Böblinger die praktische (Küchen-)Arbeit seiner Ehefrau Ingrid überlässt. Vieles vom Fangerfolg geht ohnehin an Freunde und Bekannte. Und dann ist es wie bei den Trophäen dieser Jagd im Wasser: Anfangs braucht man's, zahlt teuer den Präparator. Später - die Frau schimpft über die Staubfänger an der übersäten Wand - reichen Fotos, den kapitalen Fang zu dokumentieren. Und der Angler wird schleckig. Fängt mit der Fliege oder dem Widerhaken längst nicht mehr jeden Fisch, sondern gezielt den best schmeckenden grätenfreien. Eigendynamik eines Hobbys das viel mit Lehrgeld und Lebenserfahrung zu tun hat. Wer viel Fisch fängt, kriegt eh eine Liebe zum Fleisch: "Ein Braten ist ihm doch noch das Liebste", lacht die Gattin. Gerhard Hofmann hat einst kein Problem damit gehabt, für die schwierige Fischerprüfung zu pauken. Er, der sich beim Daimler in Abendschulungen vom Karosseriebauer zum Teamleiter emporarbeitete und 17 Jahre Judoka und acht Jahre Ringer war, hat einen gesunden Ehrgeiz. Den hat er aber auch für seine Mitglieder nutzbar gemacht. "Wir könnten 300 Leute sein", sagt Hofmann. Doch der Verein bleibe bei der Hälfte: "Die sieben Gewässer, die wir in Böblingen gepachtet haben und bewirtschaften, lassen sich halt nicht vermehren." Jedes Mitglied solle aber nicht nur die Pflicht zu Arbeitseinsätzen haben, sondern auch die Möglichkeit zu fischen, solange die Saison es erlaubt - also nach dem Auftauen und vorm Wiederfestfrieren der Gewässer.
Dass diese vor allem im Ballungsraum ein Konfliktpotential bergen, ist Hofmann bewusst. Da pocht er auf Pächterrechte, ohne zum Betonschädel zu werden. "Man kann sich einig werden", will Hofmann beispielsweise niemand den Schiffs- Modellbau verleiden. Doch dass "Event-Künstler" die Stadt-Seen "ungefragt" missbräuchten, ärgert den 63-Jährigen ebenso, wie er die seit Jahren zunehmende Müllkippe Oberer und Unterer See anprangert. Statt nur immer den versenkten Abfall müsse man die Ursachen beseitigen. "Die Leute", schilt er, "sehen meist nur, was oberhalb der Wasserfläche ist. Wir aber gucken drunter." Nicht umsonst würden alle 14 Tage Wasserproben genommen. "Für uns", runzelt Hofmann die Stirn, "schwimmt da ein Lebensmittel."

Hochsee - Angeln macht Muckis

Hofmann ist selbiges bisher gut bekommen. Das sieht man nicht nur an seinem wachen Geist sondern an beträchtlichen Muckis, die nicht nur im Fitnessstudio wachsen, sondern auch beim Hochseefischen auf der Nordsee: "Wenn da ein zehn Kilo schwerer Trumm in 100 Meter Entfernung zieht, hat das eine mords Hebelwirkung", lacht Bizeps-Hofmann. Da sind so mancher olle Böblinger Hecht und so manches alte Mitglied schon leichter zu handhaben. Dafür, dass er beides kann, erhält Hofmann morgen um 19:00 Uhr in der Feuerwache die Landesehrennadel.